Nicht alles Betongold, was glänzt

Dr. Stefan Krausch, Karin Groß-Eckert, Mathias Gross, Ingo Bofinger (v.l.n.r.; Bild: Andreas Schwarz)
Dr. Stefan Krausch, Karin Groß-Eckert, Mathias Gross, Ingo Bofinger (v.l.n.r.; Bild: Andreas Schwarz)

Deutschlands Immobilienmarkt ist in Partystimmung. Im vergangenen Jahr wechselten mit fast 80 Milliarden Euro so viele Büro­türme, Shopping-Center und Wohnungspakete den Eigentümer wie seit der Finanzkrise nicht mehr. Anfang 2016 gab es zwar eine kurze Verschnaufpause, die Party ist aber noch im Gange. Deutsche Immobilien sind weiterhin begehrt, allein am Angebot mangelt es. Doch der Kater könnte schneller kommen als gedacht. „Wir sehen eine extreme Übertreibung am deutschen Markt. Ich bin seit 26 Jahren in der Immobilien­branche tätig, aber so extrem wie derzeit habe ich den Markt noch nie erlebt“, bemerkte Mathias Gross, Head of Asset Management­ bei der Allianz Real Estate Germany, während einer Podiums­diskussion auf der Jahreskonferenz von portfolio institutionell. Er ist deshalb froh, derzeit keine Immobilien in Deutschland vor die Füße gelegt zu bekommen.

Wechsel auf die Fremdkapitalseite

Auch Dr. Stefan Krausch, der bei der Meag das Portfoliomanagement für die gesamte Immobilienkapitalanlage der Munich Re verantwortet, blickt zurückhaltend auf den derzeitigen Immobilienzyklus: „Der Markt ist bereits weit gelaufen. Als Anleger muss man sich darüber im Klaren sein, dass die Werte zurückgehen können und – wie ich glaube – auf Sicht auch werden.“

Einen Crash in absehbarer Zukunft sieht Ingo Bofinger, Head of Real Estate bei der Gothaer, nicht. Die teuren Preise am deutschen Immobilienmarkt bereiten aber auch ihm Kopfzerbrechen. „Wir ­gehen konservativ an Investments heran und prüfen den Business Case. Muss man immer ins Eigenkapital gehen? Ich denke nicht. Wir gehen auch auf die Fremdkapitalseite und vergeben Darlehen, um ­gewappnet zu sein, falls der Markt retour kommt“, erklärte Bofinger während der Diskussionsrunde auf der Jahreskonferenz . Auch unter Solvency II bietet sich dieser Wechsel von der Eigen- auf die Fremd­kapitalseite an, da Darlehen mit Blick auf die Eigenkapitalunterlegung günstiger abschneiden. ­„Unsere Marschroute ist zu hinter­fragen: Welche Rendite erzielen wir auf das Solvency-II-Kapital? Die ‚magischen‘ vier Prozent geistern dabei noch immer durch den Markt. Auch wir versuchen, diese zu erreichen. Aber man merkt inzwischen ganz klar, dass dafür das Risiko ­erhöht werden muss. Wir diskutieren gerade, inwieweit das nach vorne hin Sinn macht oder ob wir niedrigere Zinsansprüche an uns selbst anlegen müssen“, führt Ingo Bofinger­ aus.

Diese Frage hat die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe (ÄVWL) für sich bereits beantwortet. Sie ist bereit, stärker ins Risiko zu gehen. Das rund zwölf Milliarden Euro schwere Versorgungswerk hat einen Großteil seines Vermögens in Immobilien investiert. „Wir sind regulatorisch an eine Maximalgrenze von 25 Prozent gehalten, dort stoßen wir so langsam an. Wir liegen aktuell bereits deutlich über 23 Prozent“, erläuterte Karin Groß-Eckert, die seit Anfang 2015 das Portfoliomanagement im Bereich Immobilien bei der ÄVWL leitet. Das Versorgungswerk war schon immer sehr immobilienaffin. Und darüber ist Groß-Eckert im heutigen Marktumfeld froh: „Timing ist für uns ganz wichtig. Wann und wie bewege ich mich in einen Markt hinein? Wir sind im Moment in einem Zyklus, der schon relativ ausgereizt ist, was das preisliche Gefüge angeht. Wenn man heute in Berlin ein klassisches Bürogebäude zum 26- oder 27-Fachen bekommt, hätte man sich das vor zwei Jahren oder sogar vor zwölf Monaten kaum vorstellen können.“

Bei einem Rechnungszins von vier Prozent, den das Versorgungswerk eigenen Angaben zufolge gut erreicht, erscheinen viele deutsche Immobilien derzeit nicht attraktiv. „Wir haben es geschafft, in den entsprechend guten Zeiten stark in Immobilien zu investieren, und müssen nicht wie manch anderer jetzt erst anfangen, unsere Quote zu erhöhen. Wir haben immer sehr vorausschauend mit sehr langem Anlagehorizont investiert, und sind daher auch bereit und in der Lage, Zyklen zu überstehen sowie die Rendite-Risiko-Skala nach oben zu gehen“, merkte Groß-Eckert an. Im Fokus stehen sowohl ­Value-add als auch opportunistische Investments. „Wir haben bereits frühzeitig in Projektentwicklungen investiert. Daraus haben wir ­attraktive Mehrwerte generiert“, führt die Immobilienfachfrau der ÄVWL an. Ein Beispiel ist das Frankfurter Maintor-Quartier, in das das Versorgungswerk bereits 2012 im Rahmen eines Forward-Deals noch vor Baubeginn investiert hat. „Wir haben ohne Vorvermietung opportunistisch mit entsprechenden Renditevorstellungen in dieses Projekt investiert. Qualität, Lage und das Produkt haben uns aber überzeugt“, führte Groß-Eckert aus.

Abseits von Core
Abseits von Core-Investments bewegen sich auch andere große Immobilienanleger. So setzt beispielsweise die Meag für ihren Mutter­konzern auf die Akquisition von Projektentwicklungen in einem frühen­ Stadium. „Das ist ein spannender Ansatz, den wir schon seit längerem verfolgen. Wir sichern uns auf diese Weise Objekte bereits zu einem frühen Zeitpunkt. Wichtig ist, die für Projektentwicklungen typischen Risiken im Griff zu haben. Zum Beispiel differenzieren wir mit Blick auf die Vermietung, ob es sich um ein Wohnprojekt handelt oder um andere Nutzungsarten, bei denen wir zwingend Vorvermietung voraussetzen“, erläutert Krausch. Ferner werden an mehreren Standorten bisherige Büroobjekte in Wohngebäude umgewandelt – zum Teil durch Abriss und Neubau, zum Teil durch direkte Umnutzung. „Darüber hinaus revitalisieren wir Bestandsobjekte, heben dabei­ Flächenreserven und profitieren vom aktuell attraktiven Vermietungsumfeld. Wichtig ist, die für Projekte typischen Risiken im Griff zu haben“, betont Krausch noch eimal.

Mit Projektentwick­lungen auf eigenen Grundstücken befasst sich auch die Allianz. Als Beispiel nennt Mathias Gross ein Projekt in Köln nahe des Hauptbahnhofs, das im Rohbau fast fertig ist: „Das Objekt ist 1,5 Jahre vor Fertigstellung vollvermietet. Das macht natürlich Spaß. Damit schafft man vernünftige Renditen, die mit dem, was wir heute im Markt bei Bestands­objekten im Ankauf haben, nichts zu tun haben.“ Weitere Projektentwicklungen in Hamburg, Köln und Frankfurt am Main sind geplant.

Gute Zeiten für Verkäufer
Während das derzeitige Umfeld am deutschen Immobilienmarkt für die Käuferseite eher unattraktiv ist, tun sich für Verkäufer Opportunitäten auf. Genutzt hat diese unter anderem Savills Investment Management, die im Oktober vergangenen Jahres das Quartier „Potsdamer Platz“ bestehend aus 16 Objekten veräußert hat. „Das deutlich verbesserte Marktumfeld war eine gute Ausgangsbasis für den Potsdamer Platz, um ihn als eines der prominentesten Stadtquartiere in Deutschland zu vermarkten“, resümierte Nicole Jekel, die bei Savills Investment Management (vormals SEB Investment Management) für das Portfolio am Potsdamer Platz verantwortlich war. Das Ensemble im Zentrum von Berlin, das über eine DGNB-Zertifizierung in Gold verfügt, umfasst 16 Objekte verschiedener Nutzungsarten – von Büro über Wohnen und Einzelhandel bis hin zu Freizeit und Entertainment – mit einer Mietfläche von insgesamt rund 276.000 Quadratmetern. Zum Zeitpunkt des Verkaufs lag der Vermietungsstand bei 80 Prozent, die Restmietlaufzeit betrug 4,2 Jahre. Eine Aufsplittung des Stadtquartiers in Einzelobjekte kam für Savills nicht in Betracht. Es sollte als Ganzes verkauft werden, da die zum Teil vorherrschenden vertraglichen Beziehungen und Verpflichtungen innerhalb des Quartiers nur schwer und längerfristig zu separieren sind. „Die größte ­Herausforderung beim Verkauf des Potsdamer Platzes war, das Quartier­ so einfach wie möglich darzustellen, um den Investoren die Angst vor dessen Komplexität zu nehmen. Um die Komplexität des Portfolios für möglichst viele Investoren attraktiv zu gestalten und eine ­große Zielgruppe anzusprechen, haben wir uns dazu entschieden, im Vorfeld der offiziellen Vermarktung, die auf der Mipim 2015 startete, eine technische und rechtliche Verkäufer-Due-Diligence durch­zuführen und diese den Investoren zur Verfügung zu stellen“, erläuterte Jekel.

Angesprochen wurden überwiegend internationale Adressen. Bereits­ Ende April 2015 fiel die Entscheidung zugunsten des kanadischen Immobilieninvestors Brookfield. Der Kaufvertrag wurde einige Monate später im Oktober unterzeichnet. Die Kaufsumme soll deutlich bei über einer Milliarde Euro gelegen haben. „Für Brookfield war der Potsdamer Platz die Möglichkeit, in den deutschen Markt einzusteigen und sogleich ein signifikantes Portfolio zu bewirtschaften“, führte­ Jekel aus. „Zudem stellte der Verkauf des Potsdamer-Platz-Quartiers die größte und spektakulärste Einzelimmobilientransaktion in Deutschland seit der Finanzkrise 2008 dar“, fügte sie hinzu.

Auch deutsche Adressen sollen sich unter den Interessenten des Potsdamer Platzes befunden haben. Sie waren allerdings in der Unterzahl,­ wie die Savills-Immobilienfrau einräumt. Abschreckend gewirkt haben dürfte insbesondere die Größe des Deals. „Unser Immobilien­portfolio umfasst 2,5 Milliarden Euro. Vor diesem Hintergrund kam der Potsdamer Platz angesichts seiner Größe nicht in ­Betracht. Grundsätzlich finden wir Quartiersentwicklung spannend. Das haben wir an dem ein oder anderen Standort und in kleinerer Größe auch umgesetzt“, erklärte der Immobilienmann der Gothaer, Ingo Bofinger. Ähnliches gilt für die ÄVWL. „Der Potsdamer Platz ist ein hochinteressantes städtebauliches Großquartier mit einer diver­sifizierten Nutzung. Wir als Ärzteversorgung sind zwar groß, aber nicht groß genug für dieses Quartier als Einzelinvestment“, erklärte Groß-Eckert.

Weniger Komplexität ist Mehr
Die Größe der Transaktion wäre für die zwei Münchner Schwer­gewichte Allianz und Munich Re nicht das K.O.-Kriterium gewesen. Beide Häuser haben sich das Berliner Stadtquartier angeschaut, letztendlich aber aufgrund der Komplexität davon Abstand genommen. „Der Potsdamer Platz ist ein beeindruckendes Konglomerat mit verschiedensten Nutzungsarten. Es gibt sicher viele Pluspunkte für ein solches Quartier in dieser zentralen Lage. Man braucht jedoch ein ­aktives Asset Management, um die Betreiberaspekte innerhalb des Portfolios angehen zu können. Wenn wir Portfolien anschauen, dann nur solche mit etwas weniger Komplexität“, führte Dr. Stefan Krausch aus. In diese Richtung geht auch die Argumentation von Mathias Gross. Dem Allianz-Immobilienfachmann bereitete darüber hinaus das Klumpenrisiko Sorge, das der Potsdamer Platz mit sich gebracht hätte:­ „Berlin verträgt sicher ein großes Volumen – auch von einer Milliarde Euro, aber bitte nicht an einem Fleck.“ Zudem hegt er Zweifel an der Verkaufbarkeit eines solch riesigen Stadtquartiers: „Das ist nur in einer richtig guten Marktphase, wie wir sie derzeit haben, möglich.“ Doch diese Phase ist endlich.

Wann und ob es zu einer Marktkorrektur kommt, lässt sich ohne Kristallkugel schwer vorhersagen. Die Meinungen hierzu gehen auseinander. In einem waren sich die Anleger auf dem Immobilien-Panel der Jahreskonferenz von portfolio institutionell jedoch einig: Die ­Preise an den deutschen Immobilienmärkten sind derzeit extrem ­teuer. „Es fällt zunehmend schwer, ökonomisch nachhaltige Investments zu identifizieren. Ab und an wird man noch fündig. Wir geben jedoch nicht der Versuchung nach, zu überhöhten Preisen zu kaufen, nur um ein gewisses Zielvolumen zu erreichen. Unsere Investments müssen mittel- bis langfristig sinnvoll sein. Das ist das Rational, mit dem wir an den Markt gehen“, erklärte Krausch. Anstatt über ­Zukäufe im deutschen Immobilienmarkt denkt die ÄVWL über Verkäufe nach – und hat dies auch bereits getan. Im vergangenen Jahr wurde die derzeitige Marktphase genutzt und ­beispielsweise ein Objekt in London verkauft. „Wir ­nehmen Bereinigungs- und Umstrukturierungsprozesse vor. Es geht um die weitere Veredelung unseres Portfolios.“

Von Kerstin Bendix

portfolio institutionell, Ausgabe 05/2016


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