Die Mängel bei deutschen Straßen und Brücken sind spürbar. An den hiesigen Versicherungen und Altersvorsorgeeinrichtungen dürfte deren Behebung nicht scheitern. „Die Herausforderungen, unsere Verkehrsinfrastruktur am Leben zu halten, sind immens. Wir – und sicherlich auch andere Investoren – wären gerne bereit, hier für Verbesserungen zu sorgen“, erklärte Lutz Horstick von der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. Der Knackpunkt von privat finanzierter Infrastruktur: die unschlagbar günstige Refinanzierung von Vater Staat, die weit unter den Renditeanforderungen von heimischen Pensionskassen oder Lebensversicherungen liegt.
Professor Dr. Marcel Fratzscher, Präsident des DIW Berlin und ehemaliger Leiter der Expertenkommission des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, machte in seinem Einführungsvortrag den Investoren aber Hoffnung, dass dieses Investitionshindernis eines Tages aus dem Weg geräumt wird und sich institutionelle Anleger bei der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung einbringen können. Wie der Ökonom monierte, besteht bei Kommunen ein erheblicher Investitionsstau. Fratzscher konstatierte eine enorme Investitionslücke, deren Ursachen insbesondere in den seit den 90er Jahren sinkenden Nettoanlageinvestitionen der Gemeinden liegen, wobei sich das einstige Ost-West-Gefälle nun in ein Nord-Süd-Gefälle gewandelt habe.
Begründet wurde der kommunale Investitionsstau von Marcel Fratzscher mit hohen Verschuldungen sowie Sozialausgaben, mit fehlender Expertise – zuvorderst bezüglich Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen (!) – und eben „am wichtigsten“ mit der sehr geringen privaten Finanzierung der öffentlichen Infrastruktur. „Positiv ausgedrückt besteht hier ein unglaubliches Potenzial“, so Fratzscher. Noch fehlt es jedoch an Umsetzungswegen. Vorschläge hat die „Fratzscher-Kommission“ mittels eines Zehn-Punkte-Plans vorgelegt, der unter anderem einen Investitionsfonds enthält. Die unabhängige Expertenkommission wurde im August 2014 von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel mit dem Auftrag berufen, konkrete Handlungsempfehlungen zur Stärkung privater und öffentlicher Investitionen in Deutschland auszuarbeiten.
Eine Bündelung in einem Fonds bewirke, dass die Finanzierungskosten für die Kommunen und auch die Finanzierungsrisiken für die Privatinvestoren sinken. „Häufig ist der Privatinvestor effizienter, besser und kostengünstiger“, kämpft Marcel Fratzscher gegen den festsitzenden ÖPP-Vorbehalt, dass es Vater Staat besser allein richten kann. „Für dieses Thema braucht es mehr Offenheit und letztlich einen Mentalitätswandel“, fügt Fratzscher hinzu. Dabei muss auch das Problem überwunden werden, dass die Politik wenig Anreize hat, ein Problem anzugehen, dessen Lösung sich erst in ungefähr zehn Jahren auszahlt.
Zwar wandern Teile der Privatwirtschaft heute schon ins Ausland ab. Aber bei geringer Arbeitslosigkeit bleibt auch der Reformdruck niedrig. Dafür, dass der Druck bald steigt, könnte die Schuldenbremse sorgen. „Wenn die Kommunen die Schuldenbremse einhalten müssen, werden Privatinvestoren ins Spiel kommen“, blickte Andreas Binder von der Wave Management AG, dem Asset Manager der VHV-Gruppe, in die Zukunft. Noch fehle das attraktive Spielfeld, man stehe aber an der Seitenlinie bereit. „Wenn wir gut und sinnvoll investieren könnten, würden wir dies gerne mehr tun“, bestätigt Binder das Eingangsstatement von Lutz Horstick. Interessant wäre für Wave gegebenenfalls auch ein Fonds mit deutscher Infrastruktur, der nicht nur Erneuerbare Energien enthält, sondern breiter diversifiziert ist und beispielsweise auch in Verkehrswege investiert.
Grundsätzlich präferiert Wave sichere Assets, ist folglich innerhalb von Infrastruktur eher auf der Suche nach Brownfield-Investments mit geringeren Renditen. Binder: „Hier bieten uns Eigenkapitalinvestments, auch wenn die Renditen zurückgehen, immerhin noch bis zu acht Prozent.“ Umgesetzt werden die Infrastrukturinvestments bei dem Hannoveraner Manager – wie auch bei anderen mittelgroßen Investoren zu beobachten – über Fonds. Sicherheit und maßgeschneiderte Umsetzungswege sind auch das Thema von HSBC Deutschland. Das Bankhaus beschäftigt sich schon seit 2004 mit Investments in Infrastruktur und offeriert für Investoren, die größenbedingt von Direktinvestments Abstand nehmen müssen, ein konzentriertes Portfolio an „Best-in-Class“-Infrastrukturfonds für europäische Brownfield-Investments. Für diese Infrastruktur-Basketstrategie konnte man seit 2012 über 600 Millionen Euro einsammeln. Die Extrakosten der Investoren für diese Basket-Lösung machen sich laut Matthias Rubner, Leiter Alternative Investments, in Form höherer Renditen, Größenvorteilen oder auch Reporting-Lösungen bezahlt, die auf deutsche institutionelle Investoren zugeschnitten sind.
Anders stellt sich dafür die Situation bei einem großen Investor wie Swiss Life Asset Managers dar. Die Versicherungstochter hat ein zehnköpfiges Team aufgebaut, um über eigene Fonds direkt in Infrastrukturunternehmen in Europa und Nordamerika. Die Schweizer investierten bereits über eine Milliarde Euro in Infrastruktur und wollen eine weitere Milliarde anlegen. Der Fokus auf „Brownfield Core“ entspricht dem der anderen Anleger – und damit ähnelt sich auch die Fragestellung bezüglich des zunehmenden Wettbewerbs- und damit des Renditedrucks in diesem Segment. Dazu, wie sich der Druck mindern lässt, präsentierte das Panel verschiedenes. Zumindest großen, direkt investierenden Anlegern hilft, dass sich Infrastrukturfonds aus den Core-Segmenten weitgehend verabschiedet haben. Zusätzlich muss man aber auch Dealflow erzeugen. Frank Heiss von Swiss Life Asset Managers nennt als Dealflow-Treiber die Aspekte Netzwerke, Partnerschaften mit Strategen oder Finanzinvestoren, Plattformstrategien für „Add-ons“ zu bestehenden Investments und die Offenheit für eine Bandbreite an Situationen und Zeitpunkten für Beteiligungen. Ganz wichtig ist aber auch die Marktwahrnehmung. Heiss: „Es braucht ein dezidiertes Infrastrukturteam mit entsprechender Expertise sowie effiziente Prozesse. Damit kann man potenziellen Verkäufern sowie Partnern signalisieren, dass man dieses Thema langfristig verfolgt.“ Bei HSBC Deutschland begegnet man dem Renditedruck durch eine „breite europäische Diversifikation über Länder und Segmente“, so Rubner. Für die Ärzte Westfalen-Lippe geht die Reise „mehr an die Ränder“ und hin zu „mehr Marktrisiko“.
Nicht nur an die Ränder, sondern darüber hinaus geht die Reise für die Evangelische Bank. Diese berät in Zusammenarbeit mit der KfW-Tochter DEG eine Beteiligungsstruktur für Investments in Erneuerbare-Energien-Projekte in Emerging Markets, die von der Universal Investment aufgelegt wurde. Die Investmentstrategie ist dabei schwerpunktmäßig auf Investitionen in Senior Debt ausgelegt. Zur Portfoliobeimischung wird in Junior- und Mezzanine-Tranchen investiert. Dabei winken attraktive Renditen: So erhalten Investoren beispielsweise für eine in Euro denominierte Junior-Rate-Fix-Tranche einer Onshore-Windpark-Finanzierung in Kenia mit einer Laufzeit von weniger als 15 Jahren eine Marge von über zehn Prozent. Für ein Wasserkraftwerk in Peru erhalten Investoren über eine Senior-Debt-Tranche eine Marge von mehr als fünf Prozent über dem USD-Libor bei einer Laufzeit bis zu zwölf Jahren. Für Erneuerbare Energien in Schwellenländern spricht unter anderem, dass die Umweltbedingungen wie Sonneneinstrahlung, Windgeschwindigkeit et cetera, das Wirtschaftswachstum, das strukturelle Energiedefizit sowie dass das Wettbewerbsumfeld im Vergleich zu Europa entspannter ist. Dafür bestehen jedoch unter anderem hohe politische Risiken, die mit der Investition in Schwellenländer eingegangen werden. Das Thema politische Risiken gewinnt jedoch in Zeiten knapper Haushalte weltweit immer mehr an Bedeutung. „Wie Beispiele bereits gezeigt haben, sind auch in Europa solche Risiken nicht zu unterschätzen“, argumentiert Joachim Fröhlich von der Evangelischen Bank und erinnert an Norwegen. „Dagegen bedarf es in den Schwellenländern anders als in Europa oft keiner Einspeisevergütungen. Zudem spricht für die Schwellenländer natürlich die Diversifikation.“ Künftig könnte auch die Rendite noch stärker für die Schwellenländer sprechen, weshalb es Sinn macht, schon frühzeitig andere Wege zu betreten. Joachim Fröhlich: „Wir müssen raus aus der Komfortzone, auch wenn wir es lieber anders hätten.“
Von Patrick Eisele
portfolio institutionell, Ausgabe 05/2016