Die knapp einstündige Analyse inklusive Panel-Diskussion mit Investoren begann mit einem Vortrag von Christoph Hock von Union Investment, der es sich nicht nehmen ließ, Anekdoten aus dem Tagesgeschäft zu berichten, um seinen Vortrag dadurch besonders informativ zu gestalten. Hock leitet seit 2014 das Multi-Asset-Trading-Team von Union Investment. Er ist seit knapp 25 Jahren auf der Handelsseite tätig und blickt auf Stationen bei der Barclays Bank, Tungsten Capital und JP Morgan zurück.
Hock und seine Kollegen sind für die Umsetzung der von Portfoliomanagern gewünschten Handelsaktivitäten verantwortlich, konkreter: Sie machen sich beispielsweise Gedanken darüber, wie sich große Aktienpakete kursschonend am Markt oder bei Dritten unterbringen lassen. Und, wie der Name schon sagt, kennt man im Multi-Asset-Trading-Team keine thematischen Grenzen, sondern agiert über alle wichtigen Anlageklassen hinweg.
Vor etwa anderthalb Jahren hat Union Investment die zuvor nebeneinander agierenden Handelstische der einzelnen Anlageklassen zusammengelegt, um im Handel und mit Blick auf die Liquidität Synergien zu heben. „Seither handeln wir alle Asset-Klassen unter einem Dach durch ein Team“, sagte Hock zu Beginn seines Vortrags „Mangelnde Liquidität als Herausforderung und Chance begreifen“.
Aktienhandel ist stärker fragmentiert
Doch zunächst ein Blick zurück: „Zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn wurde ein Großteil des Aktienhandels auf dem Frankfurter Börsenparkett abgewickelt“, sagte Hock und erläuterte, „beispielsweise wurden Anfang der 1990er-Jahre 95 Prozent des Volumens in Daimler-Aktien auf dem Frankfurter Parkett gehandelt.“ Heute sei das völlig anders. Der Markt sei stark fragmentiert über unzählige Handelsplätze hinweg. „Wer heute Daimler-Aktien kaufen möchte, kann das auf Xetra tun. Etwa 60 bis 65 Prozent des Handels deutscher Aktien läuft über Xetra. Daneben gibt es heute multilaterale Handelsplattformen wie BATS und Broker Crossing Networks“, führte Hock aus.
Ein solches Crossing Network ist definitionsgemäß ein vollelektronisches alternatives Handelssystem, das das Zusammenführen von passenden Kundenaufträgen untereinander oder von Kundenaufträgen gegen Eigenbestände des Handelsteilnehmers unter Ausschluss einer externen Börse ermöglicht. „Heute wird der Großteil des Handels elektronisch abgewickelt. Kurzum: Der Handel hat sich verändert. Er ist komplexer geworden. Gleichzeitig sind die Transaktionskosten heute deutlich niedriger als noch vor 25 Jahren“, sagte Hock betont offen, um die negative Grundstimmung der Thematik zu entschärfen, und warf erneut einen Blick in die Vergangenheit.
„Aus meiner Zeit bei der Dresdner Bank weiß ich: Wenn der Deutsche Investment Trust Aktien ge- oder verkauft hat, fielen Transaktionskosten von etwa 50 Basispunkten als Kommission an. Heute bewegen wir uns zwischen zwei und zehn Basispunkten. Gleichzeitig ist Liquidität für uns als Asset Manager nicht mehr so leicht greifbar, wie das vor zehn oder 15 Jahren der Fall war“, räumte Christoph Hock ein und blickte dabei auf die Regulierungspakete „Dodd-Frank-Act“, „Basel III“ und ab 3. Januar 2018 „Mifid 2“: „Einer der Haupttreiber für die Illiquidität, mit der wir uns heute auseinandersetzen müssen, ist in der Regulatorik zu sehen. Nach der Finanzkrise sind in Europa und auch in den Vereinigten Staaten Maßnahmen umgesetzt worden, die Einfluss darauf hatten, dass die handelbare Liquidität in Aktien- und Rentenmärkten deutlich rückläufig war.“
Der Dodd-Frank-Act, eines jener Mammutprojekte, die US-Präsident Donald Trump besser heute als morgen rückgängig machen will, habe dazu geführt, dass Investmentbanken praktisch kaum noch Eigenhandel betreiben. Die mit ihm einhergehende Pufferwirkung an schwachen Börsentagen entfällt ebenso wie seine Funktion als Dämpfer nach oben an besonders euphorischen Handelstagen. Denn im Eigenhandel haben die Banken typischerweise antizyklische Positionen eingenommen, um sich so ein nettes Zubrot zu verdienen. Die Folgen ihrer Abstinenz seien höhere Volatilität und niedrigere Liquidität.
Belastend für die Liquiditätssituation an den Märkten für Aktien und Renten sei auch das Deleveraging der Banken, da die Handelsbestände erheblich reduziert worden seien. Grund dafür sind die Eigenkapitalanforderungen an die Institute, die sich aus Basel III mit Blick auf die Gewichtung der Risiken von Kapitalanlagen ergeben. Heute konzentrierten sich Banken auf hochliquide Anlagen, die ihnen bei der Berechnung der Liquidity Coverage Ratio von Nutzen sind; anders ausgedrückt: Der einst hochprofitable Eigenhandel ist ein Relikt der Vergangenheit.
Die Liquiditätslage wird darüber hinaus durch die milliardenschweren Käufe der Europäischen Zentralbank an den Märkten für Staats- und Unternehmensanleihen verschärft. Aber auch der zunehmende Einsatz quantitativer Handelsmodelle und ihre Zyklizität haben nach Einschätzung von Christoph Hock Einfluss auf die Liquiditätssituation: „Wenn die Kurse fallen, werden Limite gerissen, was weiteren Verkaufsdruck erzeugt. Und spiegelbildlich werden Quants gezwungen, den Investitionsgrad nach oben zu fahren, wenn die Kurse steigen. Das wirkt natürlich trendverstärkend.“
Einsatz neuer Handelstechnologien
Den skizzierten Herausforderungen begegnet Union Investment mit dem Einsatz neuer Handelstechnologien, die sich nicht zuletzt durch Schnelligkeit auszeichnen. „In der Vergangenheit haben wir uns als Asset Manager bei Käufen und Verkäufen Preise von Banken stellen lassen. Das heißt, wir haben mit Banken gehandelt. Das ist nun nicht mehr so einfach möglich. Das bedeutet: Wir müssen unser Handelsverhalten ändern.“
Die Liquidität sei übrigens nicht, wie anzunehmen, aus dem Markt verschwunden, sondern sie sei weitgehend noch da – bloß an anderer Stelle. „Es gibt unzählige Asset Manager, die am Markt unterwegs sind. Das heißt, wir müssen andere Zugangsformen nutzen, um zu der Liquidität zu gelangen“, skizzierte Hock die Lösung des Problems. Daher geht Union Investment inzwischen nicht nur auf Banken und Broker zu, sondern ist auch auf neuen Handelsplattformen anzutreffen.
„Sie versetzen uns in die Lage, direkt gegen Asset Manager zu kontrahieren. In der Vergangenheit waren wir als Asset Manager allenfalls Price Taker und haben Liquidität aus dem Markt herausgenommen. Das ändert sich nun dahingehend, dass wir nun auch als Price Maker unterwegs sind. Wir gehen proaktiv in den Markt hinein“, unterstrich Hock. Konkret bedeutet das: „Wir wollen gut mit den Handelstischen unserer Wettbewerber vernetzt sein. Wenn wir beispielsweise als Käufer unterwegs sind und die Norges Bank als Verkäufer, dann brauchen wir keinen Broker mehr. Dann handeln wir kurzerhand direkt über eine elektronische Handelsplattform als Intermediär.“
Auf der Fixed-Income-Seite gab es in der Vergangenheit drei dominierende Handelsplattformen, sagte Hock. Inzwischen sollen es – unter Einbeziehung aller Initiativen – über 120 sein. Union Investment will sich zwar nicht an allen 120 Initiativen anbinden. „Aber es ist uns wichtig, dass wir bei den großen und bedeutenden Initiativen federführend mit dabei sind“, so Hock, der immer das Ziel im Blick hat: optimale Liquiditätszugänge für sich und seine Portfoliomanager. Eine der Plattformen ist Neptune, ein Projekt, von dem sich Christoph Hock viel verspricht. „Hier kooperieren 20 große europäische Asset Manager und 25 europäische Broker.“
Auch die GEA setzt auf Kommunikation
Im Anschluss an seinen Vortrag nahm Christoph Hock gemeinsam mit Tim Haywood (Investment Director beim Asset Manager GAM) und Andreas Siegert (Vorstandsmitglied der Versorgungskasse der Angestellten der GEA Group) an einer Diskussionsrunde zum Thema Liquidität teil. Als Moderator fungierte Felix Siegle, Senior Consultant bei Mercer Deutschland, der es eingangs bedauerte, dass auf Konferenzen generell wenig über Liquidität und die von Christoph Hock skizzierten Herausforderungen gesprochen werde.
Salopp danach gefragt, ob er im Tagesgeschäft von seinen Asset Managern etwas zum Thema Liquidität zu hören bekomme, wenn mal nicht über die Regulierung gewettert werde, entgegnete Andreas Siegert: „Wir sind uns dieses Problems auf jeden Fall bewusst und setzen deshalb auf Kommunikation. In den Gesprächen mit unseren Asset Managern und Portfoliomanagern erörtern wir regelmäßig die damit einhergehenden Probleme. Wir versuchen, noch besser zu planen, wenn es zum Beispiel darum geht, Entnahmen anzukündigen. Unsere Asset Manager führen weniger Transaktionen durch und sie nehmen verstärkt an Neuemissionen teil.“
Liquidität nicht verschwunden
Dass Liquiditätsmangel nicht pauschal an allen Märkten zum Problem geworden sei, unterstrich Tim Haywood und sagte, man müsse nur damit umzugehen wissen: „Die Zeiten, in denen man jemanden im gleichen Land anrufen konnte, um große Wertpapierpakete zu handeln, sind weitgehend vorbei. Wenn Sie heute große Risiken bewegen wollen, müssen sie auf ausgeklügelte Konzepte zurückgreifen.“ Das gilt nach Einschätzung Tim Haywoods insbesondere vor dem Hintergrund, dass Investmentbanken ihrer oben skizzierten Pufferfunktion nicht mehr nachkommen. „Was den Handel betrifft, sollten Investoren, plakativ gesprochen, wie bei einem Eisberg vorgehen: Nur ein kleiner Teil des eigentlichen Transaktionsvolumens sollte für andere Marktteilnehmer und Wettbewerber sichtbar sein, damit die Wettbewerber keine Vorteile daraus ziehen können.“
Im Zuge der Diskussionsrunde wies Christoph Hock wiederholte darauf hin, dass die Liquidität an den Märkten nicht per se verschwunden sei. Dazu skizzierte er ein anschauliches Beispiel: „Wir hatten vor etwa zwei Monaten mit einem unserer Portfoliomanager folgende Herausforderung: Er hielt eine zweiprozentige Aktienbeteiligung an einem kleine Schweizer Pharmaunternehmen und wollte diese Aktien verkaufen.“ Das Problem: Eine vorab, wie üblich, durchgeführte Transaktionskostenanalyse signalisierte, dass es theoretisch 153 Tage dauern würde, die Aktien über die Schweizer Börse zu verkaufen. Außerdem hätte der sofortige Verkauf einen geschätzten Kursrutsch um 13 Prozent zur Folge gehabt. „Für uns und den Portfoliomanager wäre das natürlich die denkbar schlechteste Lösung gewesen“, räumte Hock ein.
Die Lösung: „Wir haben uns bei dem betroffenen Unternehmen einen Überblick über bisherige Kapitalmarkttransaktionen verschafft, das betrifft Kapitalerhöhungen beziehungsweise Platzierungen in den vergangenen Monaten.“ Und tatsächlich: Drei Monate zuvor habe eine Platzierung in diesem Wert stattgefunden. Sie wurde von einer Schweizer Investmentbank durchgeführt. „Wir haben dann dem dortigen Capital Markets Team exklusiv erklärt, dass wir den Zwei-Prozent-Block verkaufen möchten.“ Mit Erfolg!
Zwei Tage später konnte man den Block mit einem Kursabschlag von 1,5 Prozent platzieren. „Das heißt für mich: Liquidität ist vorhanden! Sie müssen aber wissen, wie Sie Zugang zu der Liquidität bekommen“, sagte Hock, der sich weniger nur als Trader, sondern vielmehr als Liquiditätsberater versteht. „Bei der Transaktionskostenanalyse greifen wir auf externe Anbieter zurück, deren Ergebnisse wir intern auswerten. Hier lässt sich jederzeit genau bestimmen, welcher Mehrwert geschaffen wird, wenn man auf optimale Handelsplätze und optimale Broker- beziehungsweise Algo-Strategien im elektronischen Handel zugreift.“ Tim Haywood gab daraufhin zu bedenken, dass auch GAM auf externe Experten zurückgreift, die das hauseigene Trading auf Herz, Nieren und Effizienz analysieren. „Aber kein einziger Asset Manager wird von sich behaupten, er sei miserabel in der Execution oder in der Administration der Wertpapiere. Ich bin mir sicher, dass die großen Anbieter hier über gute Konzepte verfügen“, sagte er.
„Auf Ebene der Fonds und monetär betrachtet, sprechen wir hier nach meinem Dafürhalten von Unterschieden im Basispunktebereich. Aber das ist nicht entscheidend, wenn es darum geht, ein Mandat zu gewinnen oder zu verlieren.“ Im Hinblick auf die niedrige Liquidität im Rentenbereich betonte Haywood, „dass wir uns damit schon seit geraumer Zeit auseinandersetzen müssen. Aber in der Gegenwart wird häufiger darüber gesprochen. Denken Sie nur an die EZB-Politik.“ Haywoods Fazit: Es wird heute weniger häufig gehandelt, als das in der Vergangenheit der Fall war.
Umbau im Portfolio solide planen
Abschließend meldete sich Andreas Siegert noch einmal zu Wort: „Wenn man ein Rentenportfolio umbauen möchte, weil man sich beispielsweise eine andere Strategie zum Ziel gesetzt hat oder den Manager austauschen möchte, kann ich aus eigener Erfahrung nur empfehlen, dass man einen Transition Manager zur Hand nimmt.“ Hier sollte man den Dialog zu den Managern suchen und sich bewusst machen, was bei einer Umstrukturierung des Portfolios genau passiert, so der Rat Siegerts, oder anders ausgedrückt: Kommunikation ist Trumpf. „Ich denke dabei etwa an eine vorausgehende Transaktionskostenanalyse.
Interessant zu wissen wäre beispielsweise, woraus sich der Transition Manager Kostenvorteile erwartet.“ Und weiter: „Ich denke, dass das umzubauende Portfolio noch nicht einmal gigantisch groß sein muss, damit sich ein Umbau lohnt.“ Weitgehende Einigkeit bestand bei den Teilnehmern der Session darin, dass die kaufwütige Politik der EZB dazu führt, dass die Marktliquidität auf der Corporate-Bonds-Seite problematisch ist. Zumal die EZB nicht nur am Sekundärmarkt zugreift, sondern auch am Primärmarkt für Neuemissionen.
Spannend wird es, wenn die EZB das Tapering beginnt. Seit April 2017 werden die Käufe von Festverzinslichen in einem ersten Schritt von 80 auf 60 Milliarden Euro pro Monat reduziert. Das dürfte zunächst einmal zulasten von Staatsanleihen und deren Kursen gehen. Das heißt, es werden in erster Linie weniger deutsche Staatsanleihen zurückgekauft. Christoph Hock sieht die Problematik so: „Man kann es als Nadelöhr bezeichnen, wenn die EZB Käufe im Markt tätigt. Aber es wird sicher auch Effekte haben, wenn die Notenbank als Käufer wieder wegfällt. Ich rechne mit einer deutlich höheren Volatilität. Insbesondere im Credit-Bereich dürften sich die Spreads weiten.“
Von Tobias Bürger
portfolio institutionell, Ausgabe 05/2017