Die Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage wächst und gedeiht prächtig, wie das enorme Interesse an dem Thema und aktuelle Zahlen belegen. Doch nicht jeder Nachhaltigkeitsverfechter kennt sich so gut aus wie Oliver Oehri. Der Gründer und Geschäftsführer der auf ESG-Investment-Reporting spezialisierten Firma CSSP erörterte mit seinen Gästen die neuen Nachhaltigkeitsschwerpunkte: Risikomanagement, Emerging Markets und Impacts.
Das Thema Nachhaltigkeit in der institutionellen Kapitalanlage gewinnt unablässig an Bedeutung. Achim Philippus, Mitglied der Geschäftsführung bei Union Investment Institutional, zeigte sich in seinem Impulsvortrag erfreut, dass das Thema auch bei der Jahreskonferenz von portfolio institutionell adressiert werde. Im Hinblick auf das Motto der Tagesveranstaltung „Ten years after … und die Vermögenslandschaften von morgen“ strich Philippus heraus, dass die Nachhaltigkeit bei vielen Großanlegern noch vor zehn Jahren eine eher untergeordnete Rolle gespielt habe. Das sei heute anders.
Das Wachstum der als nachhaltig eingestuften Assets sei enorm, konstatierte Philippus. Union Investment habe 2017 in dem Segment ein Plus an Assets under Management von 37 Prozent verzeichnet. Inzwischen würden erstmals mehr als zehn Prozent der insgesamt von den Frankfurtern verwalteten Vermögenswerte unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten klassifiziert. Der Markt sei von dieser Größenordnung noch weit entfernt, sagte Philippus mit Blick auf dessen Nachhaltigkeitsanteil von vergleichsweise mageren drei Prozent.
Auch wenn Philippus die Frage nach der Performance nachhaltiger Geldanlagen als Debatte aus der Vergangenheit einstufte, strich er vor dem Fachpublikum in Berlin noch einmal heraus, dass Nachhaltigkeit keine Performance koste. Union Investment verfüge über rund 100 nachhaltige Mandate. Verglichen mit den als nicht so deklarierten Mandaten liefen erstere sogar ein wenig besser. Ein Grund für die bessere Performance könnte das Thema Risikomanagement sein, wie Philippus mutmaßte.
Aus Sicht von Union Investment sei Nachhaltigkeit jedoch ein wesentlicher Faktor im Risikomanagement, der in die Fundamentalanalyse einfließe. Nur auf dieser Grundlage könne man als Investor eine Aussage treffen, ob man das spezifische Risiko eines Investments vermeiden wolle, also von einer Anlage die Finger lässt. Denkbar sei auch, dass bestehende Investitionen reduziert werden oder man sich als Anleger in einen Diskussionsprozess mit dem als risikoreich eingestuften Unternehmen begibt, kritische Punkte im Dialog mit der Geschäftsführung hervorhebt und auf Veränderungen drängt.
Reaktionsvermögen gefragt
Achim Philippus gab den Besuchern der Jahreskonferenz einen Rat mit auf den Weg: Bei unvermittelt auftretenden Ereignisrisiken gelte es, schnell zu reagieren und sich von Risiken – etwa in Form von Aktien oder Anleihen – zu trennen. So könne man mitunter das Schlimmste vermeiden. Neben Ereignisrisiken ging Philippus in seinem Kurzvortrag unter anderem auch auf das Regulierungsrisiko ein; exemplarisch nannte er die Diesel-Abgasthematik im Automobilbau. Das Thema Regulierung werde an Schärfe und Stärke noch zunehmen, ist Philippus überzeugt. Der Grund: Die Europäische Union habe sich verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Erderwärmung die Marke von zwei Grad nicht überschreitet. Die Umsetzung erfolgt über die Regulierung.
Anknüpfend an diese aus Sicht institutioneller Investoren relevanten Aspekte rund um das Thema Nachhaltigkeit wies Dr. Michael Viehs in seinem Impulsvortrag darauf hin, dass sein Arbeitgeber, der Londoner Vermögensmanager Hermes, Nachhaltigkeit- beziehungsweise Umwelt-, soziale und Governance-Faktoren (ESG) in sämtlichen Strategien und über alle Asset-Klassen hinweg integriert. „Wir tun dies, weil wir glauben, dass wir als verantwortungsvoller und langfristiger Investor ganzheitliche Renditen erzielen sollten, die über das finanzielle Wohl unserer Kunden hinausgehen“, sagte Viehs, der bei Hermes sämtliche Themen verantwortet, die mit ESG zu tun haben, etwa das ESG-Research und die ESG-Integration in die Investmentprozesse der Hermes-Strategien.
Seinen Ausführungen zufolge macht sich Hermes nicht nur Gedanken über die Auswirkungen der eigenen Investmententscheidungen auf die Gesellschaft und die Umwelt, vielmehr geht man soweit, die gesamte Welt in die Betrachtung einzubeziehen. Viehs verlieh seiner Haltung Ausdruck, dass man als nachhaltig handelnder Investor auch einen Schwerpunkt auf eine Diskussion über die aktive Eigentümerschaft („Engagement“) legen müsse. Die Herausforderungen nehmen für Investoren in diesem Bereich weiter zu. Denn mit der für 2019 anstehenden Einführung der Aktionärsrechterichtlinie kommen Pflichten im Sinne der „aktiven Eigentümerschaft“ auf die Investoren zu, erläuterte Dr. Michael Viehs. Die Integration von ESG-Themen und in der Praxis gewonnenen Engagement-Informationen sei für den britischen Asset Manager von herausragender Bedeutung.
In seinem Kurzvortrag kam Viehs auch auf wissenschaftliche Studien zu sprechen, die sich intensiv mit Engagements befasst haben. Zahlreiche dieser Untersuchungen seien zu dem Ergebnis gekommen, dass Umwelt-, soziale und Governance-Themen nicht getrennt vom operativen Erfolg betrachtet werden dürften. Vielmehr wirkten sie sich sowohl auf die finanzielle als auch die nicht-finanzielle Performance von Unternehmen und Investmentfonds aus.
Mit seinem eigenen Engagement hinsichtlich ESG-, Strategie- und Risikothemen will Hermes einen Impact erzielen und erreichen, dass Unternehmenspraktiken noch nachhaltiger und verantwortungsbewusster ausgestaltet werden. Das betrifft zunehmend auch Firmen in den Emerging Markets; hier hat sich nach Einschätzung von Achim Philippus die Transparenz in der jüngeren Vergangenheit durch die Arbeit von Rating-Agenturen beziehungsweise ESG-Rating-Providern und anderen externen Datenanbietern deutlich erhöht, was auch Michael Viehs sehr begrüßte.
Letzterer betonte, man stehe vermehrt im Dialog mit Firmen in Schwellenländern und verzeichne wachsende Erfolge, die sich in einem Kurswechsel der Geschäftspraktiken und in Strategieveränderungen widerspiegelten. Man verfüge heute über die erforderliche Datengrundlage, um auch die ESG-Risiken in den Emerging Markets in die Bewertung einpreisen zu können; man müsse sich aber vor Augen führen, dass jeder Datenanbieter einen eigenen Ansatz verfolge und möglicherweise nicht alle Informationsanforderungen bedienen könne. Hermes zieht daher auch Mehrwert aus den Gesprächen mit Vorständen und Aufsichtsräten. Das seien keine Insiderinformationen, versicherte Viehs, dennoch verhelfen die so gewonnenen Erkenntnisse Hermes zu einem besseren Gespür, wie die oberste Führungsebene mit Nachhaltigkeitsthemen umgeht.
Alte Hasen gehen neue Wege
Nach den Kurzvorträgen kamen die weiteren Diskutanten zu Wort. Danach befragt, wie er das von seinen Vorrednern adressierte Risikomanagement einstuft, entgegnete Dr. Helge Wulsdorf, Leiter Nachhaltige Geldanlagen der Bank für Kirche und Caritas: „Wir beschäftigen uns seit 15 Jahren mit Nachhaltigkeit und verstehen sie als strategischen Risikoansatz. Ich bin der Meinung, dass sie als Risikoansatz weiterentwickelt werden muss.“ Die Frage, die sich stelle, sei, wie definiert man Risiken und welche Risiken stecken dahinter? Damit nahm Wulsdorf den Faden von Philippus auf, der eingangs dieser Session bereits Risiken skizziert hatte, mit denen man als nachhaltig agierender Investor konfrontiert werden könne.
Für Wulsdorf und die Bank für Kirche und Caritas spielen neben dem Erreichen der Performance auch die Wirkungsweisen für Nachhaltigkeit eine Rolle. Übergeordnet steht die Frage: „Welche Risiken müssen wir für uns selbst definieren und in den Blick nehmen?“, erläuterte Wulsdorf. Man müsse eine gewisse Sensitivität für Risiken entwickeln und nicht pauschal alle in einen Topf werfen. Als Vertreter einer Kirchenbank ist sich Wulsdorf bewusst, dass sein Haus als wertorientierter Investor aus dem christlichen Bereich gegenüber anderen Investoren spezifische Risiken habe. Hier gelte es, sehr feinfühlig zu sein und sich bewusst zu machen, dass es auch andere Investorengruppen gibt, bei denen die Risikobetrachtung ganz anders definiert sein könne.
Oliver Oehri zeigte sich im Anschluss an diese Ausführungen überzeugt davon, dass man ESG-Ansätze im Portfolio integrieren sollte. Damit leitete er zu seinem nächsten Gast über, ebenfalls ein bekennender Nachhaltigkeitsverfechter und kirchlicher Investor: Klaus Bernshausen, Vorstand der Evangelischen Ruhegehaltskasse in Darmstadt. „Auch wir schauen sehr stark auf die Auswirkungen dessen, was wir tun und wie wir investieren. Dabei haben wir die Zielsetzung, etwas zu verbessern“, sagte Bernshausen.
Neben der Impact-Sicht, wie auch Hermes sie einnimmt, und dem Ziel etwas verbessern zu wollen, ist Bernshausen die Risikosicht sehr wichtig: „Dabei geht es nach meiner Wahrnehmung insbesondere um die Vermeidung von Performance-Rückgängen“, führte der Investor aus. Soll heißen: Die Performance ist Teil des Gesamtkonzepts. „Jeder Investor, der die von meinen Vorrednern aufgezählten Risiken nicht beachtet, handelt ein Stück weit fahrlässig. Denn bekannt sind sie. Niemand kann behaupten, er hätte nicht von den heute aufgelisteten Risiken gehört.“ Insofern könne man sie vermeiden.
Dem fügte Achim Philippus hinzu: „Wenn die Risiken für die fundamentale Einschätzung bei einem Wert von Bedeutung sind, dann wäre man als Investor verrückt, wenn man sie nicht beachten würde. Es kann aber sein, dass ich spezielles Know-how brauche, um bestimmte Risiken zu erkennen und mit ihnen in geeigneter Weise umzugehen.“
Andere Länder, andere Risiken
Die Themen Risikomanagement, Engagement und Emerging Markets sind nicht nur individuell stark im Kommen für Investoren, auch in Kombination ist das der Fall, wie Michael Viehs von Hermes ausführte: „Wir haben ESG-Themen schon immer als Risikofaktoren eingestuft.“ Auf dem Weg der Weiterentwicklung müsse man sich fragen, wie man als Investor einen Impact erzielen könne. „Wie können wir Unternehmen verbessern? Und können wir von den Verbesserungen, die wir durch Engagement sowohl in den Emerging Markets als auch weltweit erzielen, auch finanziell profitieren?“, fragte Viehs.
Im weiteren Verlauf der Gesprächsrunde erörterte Klaus Bernshausen, warum er sich in jüngster Zeit als Investor intensiver denn je mit den Emerging Markets beschäftigt. Ausgangspunkt sei eine Asset-Liability-Studie gewesen, die zu dem Ergebnis gekommen sei, die Evangelische Ruhegehaltskasse müsse sich in den Emerging Markets engagieren. Man sei dann nach Asien gereist, um sich ein Bild von Märkten wie Südkorea und Hongkong zu machen, führte Bernshausen aus. Eine Erkenntnis für den Vorstand: „Wir dürfen unsere hiesigen Kenntnisse und Werte nicht auf die Emerging Markets übertragen. Dort ist ein ganz anderes Leben, dort sind ganz andere Schwerpunkte gefragt.“
Für Bernshausen stellte sich daher die Frage: „Können wir als kirchlicher Investor überhaupt in Emerging Markets investieren? Und wenn ja: Gibt es dabei etwas Besonderes zu beachten?“ Die noch konkretere Frage, ob Investments in Aktien und Anleihen eines Unternehmens aus den Emerging Markets oder in Schwellenländer-Staatsanleihen unter ethisch-nachhaltigen Aspekten möglich sind oder nicht, beschäftigt kirchliche Anleger wie Bernshausen und seine Kollegen im Arbeitskreis Kirchlicher Investoren (AKI) seit geraumer Zeit. Denn die kirchlichen Anleger suchen nicht nur Renditequellen, sondern auch nach Investitionsmöglichkeiten, die aus ethischer und nachhaltiger Sicht vertretbar sind.
Daher hat die Evangelische Ruhegehaltskasse die Werkstatt Ökonomie in Heidelberg mit der Erstellung einer Studie beauftragt, die diese und weitere Fragen beantworten sollte. Entstanden ist ein 300 Seiten starkes Werk, eine „diskursanalytische Studie zur Beurteilung von ethisch motivierten Geldanlagen in Schwellenländern“. Sie wurde 2017 veröffentlicht. Darin werden länderspezifische Probleme aufgegriffen, darunter die Verletzung von Rechten indigener Völker in Brasilien, die umstrittene indische Mikrofinanz sowie Arbeitsbedingungen und Umweltschutzinstrumente in China.
Bernshausen brachte das Ergebnis der Untersuchung in Berlin folgendermaßen auf den Punkt: „Ja, auch wir können als kirchliche Investoren in Emerging Markets investieren, wenn bestimmte Dinge beachtet werden – damit kann es eigentlich jeder.“ In dem Zusammenhang müsse man sich dann aber mit lokalen Problemen befassen, darunter das von illegalen Regimen betriebene Land Grabbing, die Privatisierung der Wasserversorgung oder die Ausgestaltung von Mikrokrediten.
In der Nachhaltigkeits-Session kamen auch die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) zur Sprache. Dabei handelt es sich um politische Zielsetzungen der Vereinten Nationen, die der Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung auf ökonomischer, sozialer sowie ökologischer Ebene dienen sollen. Die Ziele wurden in Anlehnung an den Entwicklungsprozess der Millenniums-Entwicklungsziele (MDGs) entworfen und traten am 1. Januar 2016 mit einer Laufzeit von 15 Jahren in Kraft.
Im Unterschied zu den MDGs, die insbesondere Entwicklungsländern galten, gelten die SDGs für alle Staaten. Ein Investment im Hinblick auf die 17 SDGs reiche aber nicht aus, mahnte Philippus. Vielmehr müsse es durch ein Engagement und den Dialog mit den Unternehmen abgerundet werden, um eine Wirkung zu erzielen. Nur so habe man als Investor eine Chance, tatsächlich etwas zum Guten zu verändern.
portfolio institutionell, Ausgabe 5/2018